James Banner´s Usine – eine spannende Reise in den Jazz des 21. Jahrhunderts
Der wunderbare Bassist James Banner hat mit USINE (frz. für: Fabrik) und den 13 aus seiner Feder entstammenden Stücken für die Zuhörer*innen eine ungemein spannende musikalische Reise erschaffen. Zunächst einfach erscheinende Strukturen und Läufe werden plötzlich aufgebrochen von zum Teil kurzen freien Passagen, um nur wenig später wieder in fast schon meditativ-musikalische klangliche Wellen überzugehen. Besonders eindrucksvoll sind die von der 1991 in Ankara geborenen türkischen Jazzsängerin Cansu Tanrikulu gesungenen, zum Teil gesprochenen und fast schon hysterisch anmutend, schrill geschrienen Textfragmente aus Literaturwerken des 20.und 21 Jahrhunderts. Aber Vorsicht: Sie könnten beim ersten unkonzentrierten Hören auch teilweise verstörend wirken. Je genauer man aber zuhört, desto überzeugender und auch passender werden sie. Tanrikulu ist eine großartige Sängerin mit scheinbar unendlich vielen gesanglichen Facetten. Fast meint man zu „hören“, dass diese nicht nur studierte Sängerin (Jazz und zeitgenössischer Gesang) ist, sondern zudem ein Psychologiestudium mit Auszeichnung abgeschlossen hat. Sie ist in der Lage mit ihrer Stimme viele virtuose Phrasierungen, starke Impulse, wechselnde Gemütszustände und schrill-funkelnde Verzierungen zu erzeugen und damit so unheimlich viele menschliche Ausdrucksnuancen klanglich erlebbar zu machen. Sie beherrscht ein wahres Füllhorn der Möglichkeiten der menschlichen Stimme mit allen ihren Gefühlen, Stimmungen, Schwankungen oder auch Konflikten, bis hin zur Zerrissenheit.
In den beiden sehr melodischen und ruhigen Stücken „Usine“ und „Rests“ ist es an vielen Stellen aber allein der Bass von Banner, der solo gespielt, ungemein farbig klingt und dabei Töne und deren Abfolgen in scheinbar jeweils aus unendlich vielen kleineren Tonfragmenten entstehen zu lassen scheint. Alles erklingt sonor, warm und mit so unglaublich vielen feinen, tonalen Abstufungen. Banner zeigt immer wieder, ohne sich beim gemeinsamen Spielen der Band in den Vordergrund zu stellen, welche enorme Klangvielfalt und Farbenreichtum er mit seinem Instrument im gesamten ihm zur Verfügung stehenden Frequenzbereich ausdrücken kann. Phantastisch!
Ein ständig wechselnder Dialog mit immer neuen Wirkungen zwischen den Musiker*innen, angelegt zwischen Harmonien, freien Improvisationen und sehr bewussten kurzen Disharmonien. Die Musik ist so abwechslungsreich, dass man sich manchmal an eine mit einer Kamera aufgenommene Autofahrt durch eine Stadt erinnert fühlt, die an manchen Stellen zur Verdeutlichung der Intentionen schneller abgespielt wird. Nicht selten befindet man sich nach nur wenigen Sekunden schon wieder auf neuen musikalischen Wegen.
Und James Banner? Er gibt allen Musiker*innen den Raum, den diese brauchen und durch ihre eigenen musikalischen und interpretatorischen Inhalte ausfüllen wollen. Und dennoch ist es an einigen Stellen besonders er, der auf sehr subtile Art, und vielleicht erst beim zweiten, genaueren Hinhören erkennbar, seine große technische und musikalische Klasse zeigt. Nicht nur ein ungemein sympathischer Mensch, sondern auch ein gefühlvoller Musiker und Komponist mit einer eigenen Stimme.
Moderner Jazz des 21. Jahrhunderts, fest verwurzelt in der musikalischen Geschichte, aber mit neuen Blicken in deren Zukunft.
Nein, das ist keine Musik, um Sie beim Abendessen mit der Familie im Hintergrund laufen zu lassen. Das will und soll sie auch nicht sein.
Aber, wie so häufig bei gerade neuer innovativer Kunst, also insbesondere solcher, die Grenzen auslotet, zum Teil sprengt und neue Wege geht und Ziele setzt: Man muss bereit sein, sich offen damit zu beschäftigen, dann wird man reicher belohnt, als man es vielleicht beim ersten Kontakt damit glaubte…Hier ist es so! Versprochen!
Unbedingt empfehlenswert!
Ein Video zur CD:
Ein richtig gutes aktuelles Doppel-Konzert im A-Trane. Im ersten Teil spielt der großartige Jaspar Libuda ein Solo-Konzert auf dem Kontrabass. Im zweiten Set ist dann James Banner´s USINE sehen und hören, hier aber am Schlagzeug mit Fermín Merlo (Ersatz für Max nur für dieses Konzert) . Die eigentliche Besetzung:
Cansu Tanrikulu (Voice)
Declan Forde (Piano)
James Banner (Bass)
Max Andrzejewski (Drums).
Hier James Banner im Tilo Weber Quartet:
Weitere Infos zur Musik von James Banner´s Usine: https://jamesbanner.com/usine_de/
Hier die Webseiten der Musiker*innen
Cansu Tanrikulu:
Home
James Banner:
Declan Forde:
Max Andrzejewski:
Guests auf der CD:
Fabiana Striffler:
http://www.fabianastriffler.com/
Arne Braun:
Hier noch mal das Cover der CD, gestaltet von Rachel Sermanni :