Mein Hörtipp: Wolfgang Lackerschmid & Chet Baker: Welcome Back
Nach bereits 2 phantastischen Veröffentlichungen, folgt nun also Chet Baker & Wolfgang Lackerschmid, „die Dritte!“ Die ersten beiden Alben haben die Messlatte schon hoch gelegt, sehr hoch. Und „Welcome Back“ überspringt sie locker in gleicher Weise.
Rund 9 Monate vor dem Tod von Chet Baker am 13. Mai 1988 wurde dieses Album mit acht Eigenkompositionen (das Titelstück gibt es gleich zwei Mal) aufgenommen. Ein ungemein spannendes und sehr vielfältiges Werk, von den typischen Balladen und einem wunderbaren lockeren klassischen Jazz, bis hin zu lateinamerikanischen Rhythmen mit smoother Grundstimmung.
Unterstützt wurden die beiden Musiker von Nicola Stylo (flute/guitar on Waltz For Berlin), Günter Lenz (Bass) und als weitere Gastmusiker Rocky Knauer (Bass), Peri dos Santos (guitar) und Edir dos Santos (Drums). Und die Chemie stimmte ganz offenkundig zwischen allen, was sicher nicht nur an dem Tonstudio mit seiner besonderen lockeren Atmosphäre lag, (Es gab u.a. einen offenen Kamin, in dem während der Aufnahme ein Feuer brannte, das mit seinem Knacken zum Teil sogar hören kann) sondern an den beiden „Leadern“, die wie die anderen auch in absoluter Hochform waren.
Besonders Chet Baker spielte in seiner so einzigartigen leisen, coolen, zum Teil minimal wirkenden und fast schon gehauchten Art, immer unterstützt und im ständigen Dialog mit den groovigen und swingenden Vibraphonläufen von Lackerschmid, dessen großartigen Kompositionsfähigkeiten hier wieder einmal unter Beweis gestellt werden. Und es sind Songs, die auf Chet Baker zugeschnitten worden zu sein scheinen. Er spielt sie nicht nur, er lebt sie und erfüllt sie so sehr mit eigenem Leben. Trotz oder gerade wegen seiner besonderen Spielweise. Diese Musik nimmt einen ganz ein, so stark, dass diese Aufnahme auch nach 35 Jahren wohl jeden Menschen schon nach wenigen Minuten in ihren Bann zieht und geradezu fesselt.
Ja, es sind Lackerschmid und Baker, die hier die Hauptrollen spielen, dennoch muss ich sagen, dass mich hier alle Musiker tief beeindruckt haben und sie, dies bitte als Lob verstehen, den beiden praktisch nicht nachstehen. Das ist Jazz auf einem Niveau, dass man wirklich selten hört. Hier steht nicht die Virtuosität, die Technik oder die (nicht selten aufgezwungen erscheinende) Sicht in die Zukunft des Genres im Vordergrund, sondern nur die der Musik und ihren Wirkungen auf die Menschen. Übrigens sind es alles reine Instrumentalstücke, eine Information für die Menschen, die Bakers rauchige Gesangstimme lieben.
Sowohl bei den Trio- als auch bei den Quartettaufnahmen hört man die Musiker ohne Schlagzeugbeteiligung, was eine besondere, ruhige und schwebende Stimmung erzeugt und den Musikern noch mehr Raum bietet, zu improvisieren. Alles immer leise, ruhig, fast schon zögerlich. Hier ist jede Pause sehr genau gesetzt und Teil des großen Ganzen. So entstehen im Ergebnis beim Zuhören gerade der langsameren Stücke fast schon intime und sehr emotionale Gefühle. Das ist einfach Musik mit ungemein großer Ästhetik und einer wunderbaren Klarheit und Schönheit. Ein zeitloses Werk, dass man nicht mehr missen möchte, wenn man es erst einmal gehört hat. Und Achtung: Große musikalische Schönheit ist nicht so leicht zu erreichen, wie es vielleicht erscheinen mag, denn die Grenze zwischen wirklicher Schönheit und einer solchen zur Belanglosigkeit ist schnell überschritten.
Diese Platte ist für jeden Jazz Liebhaber ein Muss und für alle, die sich im Jazz noch nicht “sicher“ fühlen ein perfekter Einstieg. Das ist einfach großartige Musik, deren extrem hohe musikalische Qualität, wenn man genau hinhört, wohl jeden tief beeindruckt.
Kurz vor Ende des Jahres für mich eines der besten Alben in 2022.
Nicht anhören. Kaufen!
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