Fortschrittsbericht der Restauration: Thorens TD 124/II mit Miniconic-Abtastkombination – Teil 3
Miniconic – ein Tonabnehmer „neuen Stils“
von Joachim Bung
Die amerikanische Miniconic-Abtastkombination ist heute so selten, dass es mir während der langjährigen Recherche zu meinen Büchern und als aufmerksamer eBay-Beobachter nicht einmal gelang, einen Prospekt des Herstellers aufzutreiben. Das einzig angebotene Exemplar hatte mir vor endlosen Zeiten ein kundiger eBayer weggeschnappt. Auch sind in alten HiFi-Zeitschriften nur ganz wenige Anzeigen über das innovative Produkt erschienen. Umso mehr rieb ich mir die Augen, als in dem Online-Auktionshaus der britische TD 124/II mit leibhaftigem Euphonics-Tonarm auftauchte.
Oft legt sich nach näherem Betrachten solcher Exoten die Begeisterung, wenn das Objekt des Interesses schlecht erhalten ist oder es dafür keine Ersatzteile – in dem Fall neue Nadeleinschübe für den Tonabnehmer – mehr gibt. Doch hier zählten zum Angebot gleich zwei Abtastköpfe in Originalverpackung – voll funktionsfähig. Trotz des selbstbewussten Preises ohne jeden Verhandlungsspielraum, den der gewerbliche Verkäufer für den Plattenspieler verlangte, musste ich da sofort zuschlagen – wohl wissend, dass sich die Gelegenheit für einen TD 124 in dieser Armkombination und in dem Zustand wahrscheinlich kein zweites Mal mehr bietet.
Bevor ich über das Ergebnis der Revision durch Peter Feldmann und die Höreindrücke mit dem Euphonics-Tonarm berichte, hier Informationen zum Miniconic-System. Hersteller der Armkombination war eine Firma Euphonics in Chicago. Vertrieben wurde sie in Großbritannien von Elstone Electronics im mittelenglischen Leeds – wo dieser TD 124/II herstammt – und in Westdeutschland von Boyd & Haas. Der Kölner Importeur führte gegen Ende der 1960er Jahre noch weitere HiFi-Exoten wie den extravaganten britischen Hydraulic-Plattenspieler von Transcriptor im Programm.
Integrierte Abtastlösungen
„Will man von einem Abtastsystem ein Optimum an Qualität erreichen, muss man Tonabnehmer und Tonarm als Ganzes betrachten“, schreibt schon 1961 die Zeitschrift Funk-Technik. „Nur die sorgfältige Abstimmung beider Teile aufeinander ergibt beste Wiedergabequalität bei gleichzeitig höchster Plattenschonung.“ 1958 bringt Shure in den USA mit dem Dynetic-Tonarm das erste Produkt auf den Markt, das dieser Idee konsequent folgt. Auch in Großbritannien realisieren Hersteller das Prinzip eines Tonarms, an dem nur ein einziges, passgenaues System verwendet werden kann: Decca mit seinem berühmten ffss-Tonabnehmer an den Tonarmen Super Pick Up und Professional sowie der Schallplattenkonzern E.M.I. mit der heute ganz seltenen Armkombination EPU 100.
Das gleiche Konzept verfolgt auch das Tandem von Euphonics – mit einem entscheidenden Unterschied: Während Shure, Decca und E.M.I. für den Tonabnehmer die bekannten Arbeitsprinzipien Moving Magnet beziehungsweise Moving Iron nutzen, macht das Miniconic mit einem völlig neuen Wandlerkonzept Schlagzeilen. 1966 befasst sich das fono forum unter der Überschrift „Ein Tonabnehmer neuen Stils“ mit der US-Innovation auf vollen zweieinhalb Seiten.
„Nachdem die moderne Halbleitertechnik in den vergangenen Jahren die bisher gebräuchliche Elektronenröhre aus vielen Anwendungsgebieten verdrängt hat“, schreibt der nicht namentlich genannte Autor, „schickt sie sich nunmehr an, sich auf einem anderen Feld Einlass zu verschaffen. Dieses Feld wurde bisher ausschließlich von elektrodynamischen, magnetischen und piezoelektrischen Wandlern beherrscht. Den Konstrukteuren der Firma Euphonics in den USA ist es gelungen, mit der Entwicklung des neuen Halbleitersystems Miniconic die Vorteile aller drei Prinzipien zu vereinen, deren Nachteile jedoch zu vermeiden.“
Verwandt mit Kristallsystemen
Der Aufbau des Miniconic-Systems entspricht bis auf geringe Abweichungen dem Prinzip piezoelektrischer Tonabnehmer. Als Generator dient hier ein Silizium-Halbleiter-Steuerelement. Der extrem kleine und leichte Wandler ist direkt am Ende der Abtastnadel angebracht. Zur Verstärkung der abgegebenen Spannung sind in das System zwei Silizium-Halbleiter eingebaut. Die Bewegungen des Nadelträgers ziehen die Siliziumplättchen auseinander und drücken sie zusammen, so dass sich ihr elektrischer Widerstand ändert und die Plättchen den Strom einer externen Gleichstromquelle modulieren. Die Plättchen mit den Abmessungen 1,6 x 1,6 x 0,13 Millimeter sind kleiner als der Diamant des Nadelträgers.
__________________________________________________________________________
Technische Daten Euphonics Miniconic
Prinzip Siliziumhalbleiter-Wandlerelement
Frequenzbereich 0 – 50000 Hz ±2 dB
Kanaltrennung < – 25 dB
Systemgewicht 2 Gramm
Nadelnachgiebigkeit 25 x 10-6 cm/dyn
Bewegte Masse 0,6 Milligramm
Auflagekraft 0,75 – 3 Gramm
Vertikaler Spurwinkel 15 Grad
Diamantnadel elliptisch 23 x 5 µ, sphärisch 13 µ
Ausgangsspannung max. 80 mV bei 20 V Betriebsspannung (Speisestrom 10 mA)
____________________________________________________________________
Vor- und Nachteile
Ein Vorteil der Konstruktion ist, dass die Abtastnadel aufgrund der großen Empfindlichkeit der Halbleiter nur wenig Energie liefern muss. Deshalb lässt sich das System für hohe Nadelnachgiebigkeit und sehr geringe Auflagekraft auslegen. Auch ist eine Phono-Entzerrung beim Miniconic nicht notwendig. Nachteil des Pickups ist, dass zum Betrieb eine Gleichspannung anliegen muss. Gleichzeitig mit dem System hat Euphonics deshalb ein externes Versorgungsteil PS 15-E entwickelt. Es erzeugt diese Spannung, verstärkt beide Signale und korrigiert die Phasenlage eines Kanals.
Der auffallend zierliche Tonarm mit der Bezeichnung TA-15 hat ein schlankes Rohr und einen schmalen, länglichen Kopf. Das gerade Armrohr misst gerade mal 6,3 mm im Durchmesser – so viel wie der Klinkenstecker eines Kopfhörers. Die notwendige Kröpfung erfolgt am Kopfanschluss. Das schwarze hintere Ende des Tonkopfs mit Fingergriff ist mit dem Armrohr fest verbunden. In diesen Kopf wird die elfenbeinfarbige Systemeinheit mit vier Kontaktstiften von vorn einfach eingesteckt.
Einen Lift hat der TA-15 nicht, ebenso kein Antiskating. In den Drehpunkten arbeiten viskositätsgedämpfte Miniaturkugellager. Die Lagerreibung beträgt horizontal lediglich 0,08 Gramm, in vertikaler Richtung sogar nur 0,06 Gramm. Die Auflagekraft zwischen 0,5 und 3 Pond erzeugt eine Feder, wobei deren Stellknopf rechts vom Sockel nicht kalibriert ist. Die Auflagekraft ist herstellerseitig auf etwas über ein Pond eingestellt.
Großer Erfolg war dem Miniconic trotz seines innovativen Ansatzes und positiver Eigenschaften nicht beschieden – wohl auch, weil der mir unbekannte Preis für die Tonarmkombination beträchtlich gewesen sein dürfte. Die Idee, für die Schallplattenabtastung ein völlig neues Prinzip anzuwenden, wurde aber weiter verfolgt. 1967 entwickelte Kenwood ein photoelektrisches Abtastsystem. Bekannter wurde in den frühen 1970er Jahren ein Modell ähnlicher Arbeitsweise von Toshiba. Grauhaarige HiFi-Veteranen erinnern sich noch an den markanten kugelrunden Tonkopf.
Wie sich die Miniconic-Kombination auf dem TD 124/II in der Praxis schlägt – darum geht es in meinem nächsten, abschließenden Bericht.
Hier nun, wie immer, ein paar spannende Bilder:
KONTAKT:
Verlag Joachim Bung
Stichelwiese 2 b 61389 Schmitten GERMANY
Tel. +49 (0)6084-3764 mail@joachim-bung.de
www.joachim-bung.de