Japan beginnt an der Ostsee – Die Keramik des Jan Kollwitz
Ja, Jan Kollwitz ist der Urenkel der großen Käthe Kollwitz. Aber ohne hier irgendwelche und sicherlich nicht haltbare Vergleiche anstellen zu wollen oder zu dürfen: Jan Kollwitz ist auch ein Künstler, aber einer, dessen Arbeiten mit dem Werk der großen und bekannten deutschen Grafikerin, Malerin und Bildhauerin, und sicherlich einer der der bekanntesten deutschen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, in keinem Zusammenhang stehen.
Jan Kollwitz stellt seit über 30 Jahren im ostholsteinischen Klosterdorf Cismar traditionelle japanische Keramiken her. In dem einzigen außerhalb Japans gebauten echten Anagama Ofen.
Erbaut wurde dieser außergewöhnliche Holzbrennofen, dessen historische Wurzeln bis in frühgeschichtlichen Zeiten zurückreicht, 1988 von Watanabe Tatsuro, einem der wenigen, gleichwohl berühmten und außergewöhnlich erfahrenen japanischen Ofensetzer. Er hielt Kollwitz, der zuvor in Japan seine Ausbildung zur Herstellung traditioneller Teekeramiken gemacht hatte, würdig, einen solchen Ofen zu besitzen und zu nutzen. Keine Selbstverständlichkeit. Insbesondere auch deshalb nicht, weil diese besondere Form des Holzofens zum Brennen von Keramik wirklich in jeder Hinsicht absolut außergewöhnlich ist:
Genau 4 Tage brennt der ca. 1350 Grad heiße Ofen, beheizt nur mit Buchenholz und Kiefernscheiten, die kontinuierlich im 3-Minutentakt nachgeworfen werden müssen. Dies sind aber nur die einfachsten der zu beachtenden Faktoren, die das Buch wunderbar und spannend erzählt und die die Faszination von der ersten Seite an überspringen lässt.
Und selbst Dinge, die uns vielleicht seltsam erscheinen, so z.B. die Frage, warum während des Brandes auf dem Scheitel des Ofens in Cismar immer Schälchen mit Reis, Salz und Sake stehen, werden den Leser*innen genauso mitgeteilt, wie alle anderen für uns auf den ersten Blick nicht wichtigen Anforderungen an diese große Handwerkskunst, die dann, aber auch nur dann, im Ergebnis zu der Perfektion führt, die Jan Kollwitz heute so meisterlich beherrscht.
Und was sind die „Ergebnisse“ eines solchen langen und anspruchsvollen Entstehungsprozesses, gekrönt von einem ungewöhnlichen und schwierigen Brennvorgang in einem echten Anagama Holzbrennofen? Japanische Keramiken, ganz in der japanischen Kultur und Tradition und der des ZEN und des ZAZEN verwurzelt und einfach von unglaublicher Schlichtheit und absoluter Schönheit beseelt.
Ein Zitat (Rikyu):
Chanoyu: das heißt,
dessen soll man sich bewusst sein,
nur Wasser zu kochen,
Tee zu bereiten
und ihn zu trinken
(Chanoyu: „Teezeremonie“)
Mir fiel sofort wieder eine Geschichte ein, an die ich mich, seit ich mich für japanische Kultur und insbesondere der Lehre des ZEN und der Tee-Zeremonie interessiere, immer wieder gerne erinnere: Kurz und vereinfacht wiedergegeben: Ein Meister wird von vielen seiner Schüler immer wieder gefragt, was das Geheimnis seiner Lehre und die des ZEN sei. Und er antwortete: „Wenn ich hungrig bin, esse ich. Wenn ich durstig bin, trinke ich und wenn ich müde bin, schlafe ich“.
Daraus haben Lifestyleexperten im Westen in den letzten 15-20 Jahren eine ganze „Achtsamkeits-Industrie“ aufgebaut. Aber ist es, wie häufiger im Leben, eigentlich ganz einfach. Nur ist „einfach“ manchmal schwerer zu erreichen, als es der Wortsinn vielleicht zunächst vermuten lässt. Jan Kollwitz, schreibt so u.a., dass sein japanischer Meister wohl mehrere Tausend der von ihm hergestellten Teebecher immer dann, wenn er nicht in der Werkstatt war, wieder zurück in die Aufbereitung gegeben hat. Sie genügten nicht seinen Anforderungen.
Und so verwundert es nicht, wenn man erfährt, dass Kollwitz sich erst nach 20 Jahren an die Herstellung der Teeschalen herangewagt hat. Sein Fazit heute:
„Es sind erste Schritte auf einem langen Weg. Aber allmählich fühle ich mich unaufgeregt und achtsam genug, ihn zu gehen.“
In dem Buch: Japan beginnt an der Ostsee – Die Keramik des Jan Kollwitz haben nun der Autor Christoph Peters und der Fotograf Götz Wrage genau dies alles textlich und mit der Ästhetik der Keramik entsprechenden tollen Bildern umgesetzt.
Und wer die (Lebens-) Geschichte nachlesen möchte, dem kann ich ein wunderbares Buch empfehlen: „Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln“ In dem Buch gibt es einen Keramikkünstler mit dem Namen „Ernst Liesgang“, der an der Ostsee einen Holzbrennofen bauen lässt, von dem japanischen Ofensetzer Tatsuro Yamashiro…
Wenn Sie nun noch die Widmung auf Seite 5 lesen…und sich den Autor noch mal genau ansehen, wissen Sie, welche Geschichte hier wunderbar leicht, mit viel Witz und doch mit großen profunden Kenntnissen der japanischen Kultur und einem sympathischen philosophischen Tiefgang wiedergegeben wird…
Übrigens können Sie Jan Kollwitz in seinem Atelier mit seinen Ausstellungsräumen besuchen. Spätesten dann wissen Sie, warum Japan an der Ostsee beginnt.
Jan Kollwitz hat eine sehr gut gemachte Webseite, die einen schönen Einblick in seine Arbeiten bietet:
https://www.jankollwitz.de/index.php
Christoph Peters / Götz Wrage: Japan beginnt an der Ostsee – Die Keramik des Jan Kollwitz, erschienen bei Wachholtz und auch direkt bei Jan Kollwitz bestellbar:
https://www.jankollwitz.de/index.php
Christoph Peters: Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln, erschienen bei btb
Für weitere Infos zudem dem Autor und dem Fotografen, hier die Webseiten von Christoph Peters und Götz Wrage:
https://www.christoph-peters.net/
www.goetzwrage.de