Mein Hörtipp: Béla Bartók, Hungarian Pictures & Concerto for Orchestra
Das Concerto Budapest unter der Leitung von András Keller und aufgezeichnet von Andreas Spreer und dem Label TACET, natürlich wieder im „Inspiring Tube Sound“. Gut, damit steht zunächst einmal fest, dass diese SACD (die auf jedem CD-Player abgespielt aber zusätzlich noch eine weitere Spur im TACET Real Surround Sound besitzt) klanglich absolute Spitzenklasse ist, denn schlechtklingende Produktionen verlassen das Haus TACET nicht. Ich kenne jedenfalls keine einzige, die nicht klanglich herausragend wäre. Zu dem Orchester und András Keller muss man auch nichts mehr schreiben, beide sind weltweit bekannt und über Keller hatte ich bei anderen Besprechungen schon mehrfach geschrieben, siehe unten mit weiteren Hörbeispielen.
Und nachdem das geklärt ist, nun endlich zur Musik. Béla Bartók kennt wohl jeder, und dennoch gibt es immer wieder Werke, die vielleicht nicht gleich jedem zu diesem Komponisten einfallen. Sind die Ungarischen Bilder aus dem Jahr 1931 für mich noch bekannt gewesen, kannte ich das Concerto für Orchester aus dem Jahr 1943 nicht.
Die ungarischen Tänze basieren im Wesentlichen auf Klavierstücken, die der Komponist auf seinem langen Erkenntnis- und Erfahrungsweg vom Spätromatiker hin zu einem echten Musikethnologen erschaffen hat. Und das Concerto zeigt, wie der Komponist sich nach seinen umfangreichen langjährigen Reisen, die er 1906 begann, von einem ungarischen Komponisten zu einem solchen mit echtem globalem Blick auf seine musikalischen und kompositorischen Arbeiten entwickelte.
Zwar knüpften das Concerto äußerlich zumindest dem Grunde nach noch an die Ungarische Bilder an, spielt dann aber stark mit verschiedenen historischen Formen vieler Länder und Kulturkreise. Und bei der Sonata für Violine Solo nahm sich Bartók sogar den Großmeister, Johann Sebastian Bach zum musikalischen Vorbild und transformierte die „Ciaccona“ in seine kompositorische Vorstellung des Concerto. Daher wählte er den Titel ganz bewusst aus: „Tempo di ciaccona“. Die Freude über diese CD war daher umso größer.
Es ist faszinierend, wie Bartók es hier schafft, die Zuhörer:innen auf eine wahre musikalische Reise um die Welt mitzunehmen. Wie groß diese Leistung ist, wird umso deutlicher, wenn man sich den historischen Kontext mal etwas genauer ansieht, denn die Welt zu Beginn des 20 Jahrhunderts zu bereisen war schwer, aber wie schwer war erst das Komponieren in der Zeit nach 1930 und dann sogar 1943, im zweiten Weltkrieg? Das Concerto spielt daher mit den intensiven Emotionen und Gefühlen, die wohl in der Form nur Künstler:innen in ihren Werken zu verarbeiten mochten, die in der Zeit lebten und diese unglaublichen Schrecken miterlebten. Die Ungarischen Bilder, noch mit den Eindrücken des 1. Weltkriegs und den bösen Vorahnungen des 2. Weltkriegs entstanden, zeugen davon. Das Concerto, dessen Klavierfassung Bartók schließlich kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs, Ende Januar 1945 fertigstellte, zeigt die große Zerrissenheit zwischen Wut, Angst und Hoffnung auf. Ein großes Werk und das Ergebnis einer Zeit, wie sie die Welt bis dahin noch nicht erlebt hatte und hoffentlich nie wieder erleben wird. Bartók selbst befand sich in einer schlechten wirtschaftlichen und gesundheitlichen Situation, dennoch schaffte er es, auch die Hoffnung mit in das Werk einzubringen, was u.a. an vielen einfach wunderbaren und fröhlichen Melodiensätzen (besonders im Finale) deutlich wird, s.u.
Und so kann man Bartók selbst sprechen lassen, der in seinem Concerto einen stufenweisen Übergang vom Ernst hin zum fröhlichen, lebensbejahenden Finale sieht, und das alles rund 3 Monate vor Ende des 2. Weltkriegs und nur 8 Monate vor seinem eigenen Tod, am 26.09.1945.
Diese Musik ist absolut großartig, zeitlos und unglaublich intensiv und die Interpretation des Concerto Budapest unter der Leitung von András Keller hat eine herausragende Aufnahme erschaffen. Eine CD, die jedem Menschen mit aller Deutlichkeit zeigt, zu welchen Emotionen große Musik fähig ist.
Ein Meisterwerk!
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