Mein Hörtipp: Joe Lovano, Dave Douglas / Soul Prints: „Other Worlds“
Mit „Other Worlds“ liegt nun endlich das langersehnte dritte Album des Jazz-Quintetts „Sound Prints“ vor. Neben den im weltweiten Jazz-Business seit Jahrzehnten bekannten und geschätzten beiden Leadern, dem Saxophonisten Joe Lovano und dem Trompeter Dave Douglas, sind wieder dabei: Der Pianist Lawrence Fields, die Bassistin Linda May Han Oh und der Schlagzeuger Joey Baron. Der Bandname des Quintetts ist übrigens eine Anspielung auf Wayne Shorters bekanntem Klassiker „Footprints“.
Das Debütalbum „Live at Monterey Jazz Festival“ wurde bereits 2013 bei Blue Note Records aufgenommen und enthielt neben bekannten Originalen zwei neue Kompositionen von Shorter. Für das zweite Album, das erste Studioalbum, „Scandal“ (2018) nahmen die Künstler*innen neben weiteren Originalen Shorters auch eigene Stücke auf. Das neueste Werk:„Other Worlds“ enthält nun sogar ausschließlich Eigenkompositionen, darunter die phantastische dreiteilige Suite „Other Worlds Suite“, geschrieben von Joe Lovano.
Das Album erscheint auf dem von Dave Douglas selbst gegründeten Jazz-Label Greenleaf Music und wurde im Januar 2020 in nur einer Woche im bekannten New Yorker Village Vanguard aufgenommen. Das Quintett, eigentlich als eine Hommage an Wayne Shorter und seine in vielerlei Hinsicht absolut wegweisenden Musik gegründet, hat seinen musikalischen Fokus beim dritten Album nun auf seine reinen Eigenkompositionen gelegt.
Dennoch, oder gerade deshalb, loten die Musiker*innen die Grenzen auf ihrem neuen Werk immer wieder neu aus und ziehen die Zuhörer*innen sofort magisch in den Bann. Sie treiben sich von Beginn gegenseitig an und fordern sich förmlich immer wieder heraus, wobei jeder einzelne genug eigenen Raum für kreative Ideen bekommt. Die beiden Leader führen zwar, geben Ziele und Richtungen vor und legen insbesondere die hohe Dynamik und den Drive vor, die Rhythmussektion steht diesen dann aber in nichts nach und gerade die wunderbare Bassistin Linda May Han Oh ist es immer wieder, die durch eigene musikalische und rhythmische Einfälle Breaks erzeugt, nur um dann den musikalischen Staffelstab wieder organisch fließend direkt an die anderen Musiker zu übergeben. Sehr dichte Musik, die dennoch jedem einzelnen die Raum für eigene Ideen, Solos und Improvisationen gibt. Fast wie eine besondere Form einer „Wall of Sound eines Jazz-Quartetts“. Auf der einen Seite viele klanglich und musikalisch überwältigende komplexe Klangstrukturen mit vielschichtigen Konzepten und spontanen Ideen und dann, auf der anderen Seite, viele Momente der kurzen Stille, Ruhe und der instrumentalen Reduktion, und das nicht nur in den wunderbaren Balladen.
Einfallsreiche, spontane und unglaubliche treibende und die Hörer*innen sofort einnehmenden Stücke, die den visionären musikalischen Geist von Wayne Shorter weiter in die Zukunft reisen lassen und übrigens sogar auch klangtechnisch voll überzeugen können.
Wer das Vorgängerstudioalbum „Scandal“ mochte, kann hier praktisch einfach eine Art Fortsetzung auflegen und das ist keineswegs als Kritik gemeint!
Ein großartiges Album, das, wie das gesamte Quintett ein höheres Maß an Aufmerksamkeit verdient hat.