Verbastelt oder hochgerüstet – und total vermurkst
von Joachim Bung
Beliebt ist der Thorens TD 124 heute als Do-it-yourself- und Bastelobjekt – leider. „Alles nur Mechanik, alles schön groß, alles übersichtlich – da hatte ich schon ganz andere Kaliber auf dem Tisch“, ereifert sich einer der selbst ernannten Fachleute, der in die Überholung des hochpräzisen Laufwerks – außer eigenem fragwürdigen Werkeln – nichts investieren will. Techniker Peter Feldmann erlebt es auch immer wieder, dass Besitzer bei ihrem unsäglichen Tun von den Dingen mehr verstehen wollen als Robert Thorens und seine engsten Mitarbeiter. Die ihren TD 124 zum angeblichen High-End-Laufwerk, meist noch mit neuzeitlichem Tonarm „Marke Maschinenbau“ aufrüsten oder auf dem schweren Reibrad-Laufwerk einen völlig ungeeigneten High-End-Tonabnehmer mit filigranem Nadelträger betreiben.
So oder so: Kommen verbastelte oder missverstandene Laufwerke auf seinen Arbeitstisch, stehen dem Techniker bisweilen die Haare zu Berge. „Ich habe schon einen extrem hochgerüsteten Spieler als Patienten gehabt. Er sah wunderschön aus, stellte sich aber bei meiner Untersuchung als total vermurkst heraus – da stimmte fast gar nichts mehr.“ Als Vintage-Liebhaber und „Augenmensch“ sehe ich schon bei einem TD 124 mit Plattenklemme rot. Zeigt mir doch das fette, auf der Tellermitte zu abenteuerlicher Höhe sich auftürmende Teil, dass der Besitzer das Laufwerk in seinem historischen Kontext nicht begriffen hat. Klemmen und Plattengewichte waren zur Bauzeit des Schweizers im Heimbereich unbekannt und lassen einen historischen 124er völlig unauthentisch wirken.
Rega-Tonarm, Fremdmatte, fehlender Hilfsteller, entfernte Kupplungsmechanik und tristes Schwarz – so tief kann ein Thorens TD 124 sinken …
Was auch gemacht wird: Das Lackieren des Chassis im Schwarz der aktuellen HiFi-Komponenten oder der Ersatz der originalen Tellerauflage durch eine high-endige „Wundermatte“ mit angeblich phänomenalen Klangeigenschaften, die das typische Aussehen des Schweizers ebenfalls entstellen. Die konzentrisch gerippte Gummimatte mit versenkbarem Mittelstück ist bei dem Laufwerk ein so bestimmendes Designmerkmal, dass ein Thorens TD 124 ohne diese fast keiner mehr ist. Brutal das Entfernen von Tellerkupplung samt Überteller und der Betrieb einer solchen Zaubermatte – wie auf dem Bild zu sehen – direkt auf dem gusseisernen Schwungteller.
Der bekannte Klassiker-Experte Dr. Burkhardt Schwäbe warnt davor, die sechs Gumminoppen auf dem Schwungrad zu entfernen, darauf eine dieser Fremdmatten zu legen, den TD 124 ohne Hilfsteller zu betreiben und das Laufwerk bei jedem Plattenwechsel an- und auszuschalten. „Die Belastungen, die bei jedem Wiederanlauf des schweren Gusstellers auf den Antrieb entstehen, führen zu schnellem Verschleiß. Die Thorens-Ingenieure konnten hören und haben die Sandwich-Konstruktion des Tellers in ihrem Resonanzverhalten präzise abgestimmt.“
„Nicht makellos, aber wirklich top“
Mancher, der an einem Thorens TD 124 alles selber erledigt und jede Geldausgabe scheut, versucht auf subtile Art sein Bastelobjekt wieder loszuwerden, wenn er die Freude daran verloren hat. So offerierte ein Anbieter im Online-Auktionshaus ein Exemplar aus „Sammlerfundus“ in „exzellentem Zustand“ – schränkte aber wieder ein: „Der optische Zustand des Chassis ist nicht völlig makellos, aber wirklich top.“ Um dann weiter herumzueiern und ein „kleines Manko“ einzuräumen: Der Überteller habe einen minimalen Höhenschlag, der aber die vollständige Funktion des Spielers „nahezu nicht“ beeinträchtigt. Ein- und Auskuppeln des Übertellers vom Schwungrad funktionierten „meist“ einwandfrei.
Der Spieler sei in eine „schwere Vollholzzarge mit Palisanderfurnier nach Ortofon-Vorbild“ eingebaut – was sich bei meiner Recherche als Billig-Offerte aus Moldawien herausstellt. Bei einem Preis von 140 Dollar hatte der Anbieter wohl selbst keinen Spaß daran und wollte sich der östlichen Schreinerarbeit zusammen mit seinem TD 124 wieder entledigen.
Der Tonarm SME 3009 Improved S2 sei „die begehrte Version mit Wechselheadshell“ – um davon abzulenken, dass es hier um die am weitesten verbreitete, aber am wenigsten gefragte späte Version des klassischen SME-Tonarms mit abgeflachtem Gegengewicht und Vertikallagern aus Kunststoff geht. Den teuer gehandelten originalen SME-Kopf wollte der Mann natürlich behalten – und versah das Armrohr zu Verkaufszwecken mit einer billigen Japan-Headshell.
Dann die eindringliche Bitte: „Schauen Sie sich die originalen Fotos des Gerätes an – es ist wunderschön!“ Die aber bei kundigen Beobachtern trotz Aussicht auf „Kalt- oder Heißgetränke“ bei der persönlichen Vorführung nicht verfängt: Erst nach häufigem Wiedereinstellen des Plattenspielers für fast 2000 Euro, mal mit Festpreis, mal auf Auktionsbasis, und letztlich Preisreduktion fand sich jemand bereit, das Abenteuer mit dem fragwürdigen TD 124 einzugehen.
„In Würde gealtert“
Zum Glück sind Sie bei der Suche nach einem guten 124er auf dubiose Angebote nicht angewiesen. Es gibt es auch immer wieder original belassene Spieler, die, wie Peter Feldmann es ausdrückt, „in Würde gealtert“ sind und die noch niemand „gemacht“ hat. Cremefarbene oder graue Ausführungen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht besonders anziehend wirken, sich aber nach gründlicher Reinigung aller Teile als beste Grundlage für einen Neuaufbau herausstellen.
Deshalb der Rat, „vom Verkäufer generalüberholte“ Exemplare zu meiden und sich stattdessen nach einem original belassenen TD 124 als Basis für eine professionelle Revision bei einem der anerkannten Experten umzusehen. Der kostet natürlich, doch die Ausgabe dafür ist eine sinnvolle, nachhaltige Investition, die jedem seriösen Besitzer sein historischer Thorens TD 124 wert sein sollte.
Ohne Klemme und nicht „gemacht“: Paradebeispiel eines authentischen TD 124 – in dieser Konfiguration (Ortofon-Zarge ST 104, Ortofon-Tonarm RF 297 und Ortofon SPU-A) im high-endigen Preisbereich
Mit welch unverhofftem persönlichem Glück mir vor einigen Jahren ein praktisch fabrikneuer TD 124 „zugeflogen“ kam, lesen Sie in meinem nächsten Beitrag. Bleiben Sie gespannt!